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Die Condottieri

Das Hauptinteresse Venedigs lag bis Anfang des 15. Jh. in der Ausdehnung und Festigung des „Stato di Mar“. Mit diesen Küstenregionen, Inseln und Häfen im östlichen Mittelmeer kontrollierte die Serenissima den Handel, auf dem ihr Reichtum basierte. Das Hinterland diente nur als Rohstofflieferant und für den sicheren Transport der Handelsgüter in den Norden Europas.

Das änderte sich ab ca.1400 grundlegend. Binnen weniger Jahrzehnte eroberte Venedig einen großen Teil Norditaliens. Von Bergamo im Westen bis Cadore an der Kärntner Grenze und Friaul im Osten wehte das Banner des Markuslöwen. Nicht unbestritten, denn im Italien des 15. Jh. herrschten verworrene Verhältnisse. Mailand, Florenz, der Kirchenstaat und Venedig stritten sich in ständig wechselnden Bündnissen um die verbliebenen Kleinfürstentümer. Endgültig chaotisch wurde es, als Frankreich und die Habsburger ihren Kampf um die europäische Vorherrschaft auf Oberitalien ausweiteten. Bis ca. 1530 wüteten die Kämpfe, wogten hin und her, ohne dass sich eine Seite entscheidend durchsetzen konnte.

Noch verwirrender wurde die Lage dadurch, dass die Kontrahenten ihre Feldzüge hauptsächlich mit Söldnerscharen führten, die von Condottieri befohlen wurden. Der Name stammt vom Wort „Condotta“, dem Soldvertrag. Kriegsführung wurde zum Geschäftsmodell, ihre Heere boten die Condottieri je nach Bedarf der meistbietenden Partei an. Loyalität, Religion oder Nationalität waren Nebensache, nur das beste Angebot zählte. Siegreiche Heerführer zogen wieder Söldner an, die am Kriegserfolg teilhaben wollten, ihre Macht überstieg teilweise jene ihrer Dienstgeber. Der Condottiere Francesco Sforza übernahm beispielsweise 1450 die Herrschaft im Herzogtum Mailand von den Viscontis. Man könnte Parallelen zu Fussballstars unserer Zeit ziehen - die Condottieri wurden abgeworben, mit Prämien und Titeln zum Bleiben veranlasst und landesweit als Berühmtheiten verehrt. 

Ab 1500 bröckelte die Macht der Söldnerführer. Ihre geharnischten Reiter und Landsknechte waren der Kriegsführung mit Kanonen und Arkebusen unterlegen. 

Venezianische Söldner gab es nur wenige, die reichen Kaufleute und Nobili bevorzugten den Krieg auf dem Meer, das sie mit ihren Galeeren beherrschten. Aber dank seines Reichtums konnte sich Venedig immer die besten Söldnerheere leisten und so seine Terra Ferma verteidigen.

Selbst die verheerende Niederlage in der Schlacht von Agnadello 1509, als Venedig allein gegen die Liga von Cambrai stand, wurde weggesteckt und binnen kurzem mit neuen Bündnissen die alte Stärke und der Landbesitz wieder zurück gewonnen.

Langfristig schwächten die jahrzehntelangen Kriege vor allem gegen die Habsburger Venedig doch übermässig, bedrängten doch die Türken mit ihrem Vormarsch im östlichen Mittelmeer die Seerepublik immer mehr. Nach der Türkenbelagerung Wiens 1529 wurde Frieden in Norditalien geschlossen, um sich gemeinsam gegen den Türkenansturm zu wehren.

Im Dogenpalast lässt sich ein Blick zurück in die Ära der Condotteri werfen. Im Gattamelata-Saal befinden sich Rüstungen, Schwerter, Armbrüste und andere Gegenstände aus dieser kriegerischen Zeit, als Venedig am Höhepunkt seiner Macht war.

Bartolomeo Colleoni

Wohl der berühmteste Condottiere seiner Zeit war Bartolomeo Colleoni, 

geboren um 1400 in Bergamo als Sprössling eines alten Adelsgeschlechts. Schon früh zog es ihn aufs Schlachtfeld, unter den berühmtesten Condottieri seiner Zeit wie Muzio Sforza oder Gattamelata und später Niccolò Piccinino lernte er sein Metier von der Pike auf. Ab 1431 kämpfte er meist auf Seiten Venedigs und mehrte seinen Ruf als furchtloser, erfolgreicher Feldherr, der erstmals leichte Artillerie im Kampf einsetzte.

Für sein strategisches Können und den Ruf, effektiv und mit wenig Verlusten Siege zu erzielen, zahlten seine Auftraggeber jeden Preis und machten ihn zu einem der reichsten Menschen Italiens. 1446 geriet er in mailändische Gefangenschaft, den Eisenkäfig in der Festung Monza konnte er erst ein Jahr später nach dem Tod Herzog Filippo Viscontis verlassen. 

1448 band Venedig den Feldherrn mit dem Titel eines Generalkapitäns der Serenissima endgültig an sich. Sogar das Angebot des Papstes, einen neuen Kreuzzug anzuführen, schlug er aus.

1475 starb Colleoni, hochbetagt und unermesslich reich. In seinem Testament hinterließ er Venedig 100.000 Dukaten, jedoch unter der Bedingung, dass die Stadt eine Statue von ihm vor San Marco errichten müsse. Das stürzte den Großen Rat der Stadt in ein Dilemma, Personenkult am Markusplatz war ihm ein Greuel. Listige Advokaten kamen zu Hilfe, die meinten, Colleoni könne unmöglich den Platz vor der Basilika San Marco gemeint haben, sondern vielmehr den Platz vor der Scuola San Marco neben der Kirche Zanipolo. Damit war der Weg frei und die Stadt ließ sich nicht lumpen. Der berühmte Künstler Andrea Verrocchio aus Florenz, ein Lehrer Leonardo da Vincis, wurde mit dem Entwurf beauftragt. Gegossen wurde die Monumentalfigur vom Venezianer Alessandro Leopardi, der auch den prächtigen Marmorsockel mit Bronzefries und sechs korinthischen Säulen schuf. 

Colleoni dürfte Venedig den Standortwechsel verziehen haben, denn das Denkmal gilt als ein Meisterwerk der Renaissance. Die Dynamik des Werkes, die Leichtigkeit und Eleganz des Pferdes sowie Stolz und Entschlossenheit des kraftstrotzend auf den Steigbügeln stehenden Reiters sind atemberaubend, wahrlich eine der schönsten Reiterstatuen der Welt.

Ein Detail am Rande: Neben dem Markuslöwen prangt am Denkmalsockel auch das Wappen der Colleoni. Es zeigt drei Paar Hoden, eine Anspielung auf „coglione“ (italienisch für Hoden) oder gar auf eine anatomische Anomalie des Heerführers?

Michael Gaismair, Condottiere

Michael Gaismair, geboren 1490, war ein hochgebildeter Revolutionär und Sozialrebell, der 1525 den Tiroler Bauernaufstand anführte. 

Im Gegensatz zum reaktionären Andreas Hofer, der 1809 nur die alte Herrschaftsordnung unter Kaiser und Klerus wiederherstellen wollte, waren Gaismairs Ideen seiner Zeit weit voraus. Anders als die Utopien anderer Bauernführer wie Thomas Münzer war sein Verfassungsentwurf für die Tiroler Landesordnung von 1526 sehr konkret. In 28 Artikeln forderte er die Entmachtung des Adels und Abschaffung der feudalen Kirchenprivilegien, eine ökosoziale Wirtschaft, unabhängige Gerichtsbarkeit und freie Wahlen. Für damalige Zeiten ungeheuerliche Forderungen, die erst 250 Jahre später in der amerikanischen Verfassung zumindest teilweise umgesetzt wurden, in Europa noch viel später. Gaismairs Reformversuche scheiterten am wütenden Widerstand der herrschenden Schichten, des Adels, der Kirche und Handelsherren, z.B. der Fugger. 

Nachdem die vom Tiroler Landesfürsten Ferdinand aufgebotene Landsknechtarmee 1526 den letzten Bauernaufstand in Salzburg blutig niedergeschlagen hatte, zog sich Gaismair mit ca. 1500 Getreuen auf venezianisches Staatsgebiet zurück und trat als Condottiere in die Dienste des Dogen Andrea Gritti. Dies auch mit dem Hintergedanken, dass ihm Venedig bei einer Rückkehr nach Tirol im Kampf gegen die Habsburger unterstützen würde. Er und seine Truppen bewährten sich als tapfer kämpfende Söldner, unter anderem bei der Eroberung von Cremona.

Nach dem Friedensschluss zwischen Venedig und den Habsburgern zog sich Gaismair enttäuscht auf ein Landgut bei Padua zurück. Das friedliche Leben dort mit seiner Frau und vier Kindern sollte nicht lange dauern. Die Rachsucht Erzherzog Ferdinands I. hatte einen langen Atem, ein immenses Kopfgeld wurde auf Gaismair ausgesetzt. Am Morgen des 15. April 1532 erdolchten drei Meuchelmörder den Freiheitskämpfer mit 42 Messerstichen. Der Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit starb auf den Treppen seines Hauses und wurde erst 1789 von der Französischen Revolution wiedererweckt.

Michael Gaismair war einer der ersten und bedeutendsten Reformer der europäischen Ideen- und Sozialgeschichte. Dass zum 500-Jahr-Jubiläum des Tiroler Bauernaufstands so gut wie kein Gedenken an ihn stattfand, ist beschämend und bezeichnend für das Tiroler Geschichtsverständnis. Man denke nur an die aktuelle unsägliche Diskussion, ob Frauen in Schützenkompanien Waffen tragen dürfen. Da war sogar Andreas Hofer vor über 200 Jahren schon weiter. In den Tiroler Schützenkompanien von 1809 kämpften nachweislich Frauen Seite an Seite mit den Männern . . .